DURCHLASSENERGIE UND ZULÄSSIGE THERMISCHE BELASTUNG
Unter den intrinsischen Eigenschaften eines Kabels bzw. Leiters sind zwei Werte zu seiner Dimensionierung wesentlich:
- Die maximale Temperatur der Seele im stationären Zustand, die die Berechnung der zulässigen Stromstärke ermöglicht;
- Die maximale Temperatur der kurzgeschlossenen Seele, über die die Beschädigung des Isolierstoffs auftritt.
Bei normierten Kabeln werden diese Temperaturwerte von der Norm vorgeschrieben, z. B. jeweils 90 °C und 250 °C für EPR/VPE-isolierte Kabel.
Deshalb ist es sinnvoll zu überprüfen, dass das Durchlassen des Kurzschlussstroms (Ik) während der Fehlerklärungsdauer (t) nicht zur Überschreitung der maximalen Temperatur der Kabelseele führt.
Bei einer Fehlerklärungsdauer von weniger als fünf Sekunden, daher das vorgeschriebene Maximum in den Installationsnormen, wird die Erwärmung als adiabatisch betrachtet. Dies bedeutet, dass es angenommen wird, dass die erzeugte Wärme im Leiter bleibt und keine Zeit hat, sich in die anderen Teile des Kabels zu verteilen.
In dieser Hypothese wird die thermische Belastung, die die Leiter zulassen, nach folgender Formel berechnet:
Durchlassenergie = Ik2 x t in A2s.
Die thermische Belastung, die der Leiter zulässt, wird nach der Formel k2 x S2 berechnet, wobei:
- S ist der Leiterquerschnitt in mm2
- Der k-Faktor berücksichtigt die Resistivität, den Temperaturkoeffizient, die Kurzschlussfestigkeit des Leiterwerkstoffs und die Anfangstemperaturen (maximale Temperatur der Seele im stationären Zustand für einen belasteten Leiter oder einen Schutzleiter [PE] im Kabel oder Umgebungstemperatur für einen separaten Schutzleiter [PE]) sowie Endtemperaturen (maximale Temperatur der kurzgeschlossenen Seele) des Leiters.
Deswegen ist es sinnvoll nachzuprüfen, dass das Verhältnis in allen Kurzschlussfällen überprüft ist:
Ik2 x t < k2 x S2
Zur Vereinfachung der Berechnungen ist es möglich, sich auf die Tabellen zu beziehen, die die Werte von k in den geläufigen Fällen angeben, wie im folgenden Beispiel aus dem Dokument FD C 15-500:
Die Durchlassenergie mit elec calc™ überprüfen
elec calc™ berechnet die maximale Durchlassenergie für alle Leiter und vergleicht diese Energie mit der Kurzschlussfestigkeit der Leiter (nach der Formel k² x S²). Diese Überprüfung lässt sich auf die Phasen, den Neutralleiter und den Schutzleiter (PE) anwenden. Sollte diese Bedingung nicht eingehalten werden, wird ein Fehler thermischer Belastung auf dem Kabel angezeigt.
WIE WIRD EIN PROBLEM THERMISCHER BELASTUNG GELÖST?
Falls ein Problem thermischer Belastung auftritt, ist es immerhin möglich, den Leiterquerschnitt zu überdimensionieren bzw. die zulässige thermische Belastung der Leiter zu erhöhen. Dank anderer Möglichkeiten kann man allerdings diese Überdimensionierung des Querschnitts vermeiden.
Einsetzung von Schmelzsicherungen: Die Schmelzzeit einer Sicherung ist generell viel kürzer als die Schaltzeit eines Leistungsschalters für hohe Kurzschlussströme. Es gibt also eine natürliche Begrenzung der Durchlassenergie. Bei einem Schutz mit Schmelzsicherung kann die maximale Energie vom minimalen Kurzschlussstrom ermittelt werden, denn die Schmelzzeit kann länger sein. Es ist infolgedessen notwendig, die Kurzschlussfestigkeit des Kabels für jede Art von Kurzschlussstrom zu überprüfen.
Einsetzung von Leitungsschutzschaltern: Bestimmte Bauteilreihen dienen dazu, die Entstehung des Fehlerstroms zu vermeiden, indem sie nur Strom begrenzter Stärke durchlassen. Das Begrenzungsvermögen eines Leitungsschutzschalters wird vom Hersteller geliefert und in Form von Begrenzungskurven dargestellt:
- Die Kurve für den Spitzenwert des Stroms, der nach dem Effektivwert des Wechselanteils des unbeeinflussten Fehlerstroms begrenzt wird (nützlich zur Überprüfung der elektrodynamischen Belastungen);
- Die Kurve für den Wert der Durchlassenergie, die nach dem Effektivwert des Wechselanteils des unbeeinflussten Fehlerstroms begrenzt wird. Dieser begrenzte Wert muss eben mit der zulässigen thermischen Belastung der Leiter verglichen werden.
Analyse der Begrenzungskurven mit dem herstellerübergreifenden Katalog von elec calc™
Der herstellerübergreifende Katalog von elec calc™ integriert die Begrenzungskurven der verschiedenen Schutzarten. Sobald ein strombegrenzender Bauteil mit einer Schutzeinrichtung verbunden wird, nimmt die Software die begrenzte Energie auf, die mit dem unbeeinflussten Kurzschlussstrom verbunden ist.
Die meisten modularen Leitungsschutzschalter haben ein Begrenzungsvermögen. Es kann Probleme thermischer Belastung in Kabel- und Leitungsanlagen mit kleinen Querschnitten lösen, die übrigens von diesen Problemen am meisten betroffen sind.
Beispiel
Meine Anlage umfasst einen Beleuchtungsstromkreis mit einem Kabel U1000R2V-3G2.5, das durch einen Leistungsschalter 16 A Kurve C geschützt wird. Der maximale Kurzschlussstrom des Kabels beträgt 5.63 kA und die Auslösedauer des Schutzes 10 ms.
Die maximale Energie beträgt also: Ik² x t = 5.630²x0.01 oder 316 969 A²s
Die Kurzschlussfestigkeit meines Kabels beträgt: k² x S² = 138²x2.5² oder 119 025 A²s
Überprüfung: Ik² x t > k² x S² => Problem thermischer Belastung am Kabel: Das Kabel wird im Kurzschlussfall beschädigt.
Fall mit einer Schmelzsicherung:
Wenn ich den Leistungsschalter gegen eine Sicherung gG 16 A austausche, beträgt die Schmelzzeit 4.10‑5s. Die maximale Energie beträgt also: Ik² x t = 5.63²x 0.00004 oder 1268 A²s
Es besteht also kein Problem thermischer Belastung am Kabel.
In unserem Fall haben wir ebenfalls überprüft, dass der maximale Kurzschlussstrom die maximale Energie definiert.
Integration eines Leitungsschutzschalters:
Ein Bauteil wird jetzt der Schutzeinrichtung hinzugefügt. Die Software liest also auf der Energiebegrenzungskurve, die vom Hersteller geliefert wurde, die Restenergie eines Kurzschlussstroms von 5.63 kA:
In unserem Fall beträgt die Restenergie 15 250 A²s. Sie ist geringer als die Kurzschlussfestigkeit des Leiters. Es besteht also keine Probleme thermischer Belastung mehr im Kabel.
EINE GENAUERE BERECHNUNG DER DURCHLASSENERGIE MIT ELEC CALC™
Berücksichtigung des Gleichanteils: In den oben erwähnten Formeln haben wir betrachtet, dass der Wert Ik der Effektivwert des Wechselanteils des unbeeinflussten Fehlerstroms ist. Um genauer zu sein, muss der Gleichanteil des Fehlerstroms berücksichtigt werden. Der Einfluss dieses Gleichanteils ist besonders zu berücksichtigen, wenn die Fehlerstelle neben den Quellen ist. Dieser hängt von der Fehlerklärungsdauer und dem Wert des Verhältnisses X/R des Stromkreises an der Fehlerstelle ab. Von daher ist es sinnvoll, einen äquivalenten thermischen Strom zu berechnen, der den Strom Ik in den Formeln ersetzt.
elec calc™ berücksichtigt den Einfluss dieses Gleichanteils, wenn dies durch die angewandte Norm vorgeschrieben wird.
Fall mit mehreren Quellen: Ein Kurzschluss kann durch mehrere Quellen gespeist werden, jede trägt zum Kurzschlussstrom bei. Die Schutzeinrichtungen, die mit diesen verschiedenen Quellen verbunden sind, reagieren möglicherweise nicht gleichzeitig auf den von ihnen erzeugten Kurzschlussstrom. Die genaue Berechnung der Durchlassenergie muss demgemäß eine chronologische Häufung der durch jede Quelle erzeugten Energien integrieren.
Das kann mit elec calc™ durchgeführt werden, um sich dem realen Phänomen anzunähern.